Fine
3 Tage in Stille – Meditation am Titikakasee
Ich überlege seit Tagen, wie ich diesen Eintrag anfange. Wie ich beschreibe, was ich erlebt habe. Was mein Fazit ist. Ich habe immer noch keine Ahnung. Am besten, ich nehme euch einfach mit auf die Reise.
Anreise
Ich treffe die Gruppe um 7:30 Uhr am Busbahnhof in Cusco. Ein Typ mit langen Locken, Hut und Poncho begrüßt mich mit einer festen Umarmung – Ron, er wird die nächsten Tage leiten. Ich lass mich dann wohl mal drauf ein. Wir fahren erst einmal 6 Stunden mit dem Bus durch Perus wunderschöne Landschaft. Dann weiter mit dem Minibus. Dann mit dem Boot über den See. Dann zu Fuß bergauf zum Haus. 18 Uhr sind wir da. Der Reisetage sitzt uns allen in den Knochen.
Nach dem Abendessen treffen wir uns im Meditationsraum. Hier werden wir also die nächsten 3 Tage zusammen verbringen. Die erste Meditation gefällt mir sehr und ich fühle mich wohl. Ich muss wahrscheinlich dazu sagen, dass ich mich seit ungefähr 2 Jahren mit Meditation beschäftige. Seit einem halben Jahr versuche ich es so gut es geht zu meiner Routine zu machen. Eine halbe Stunde jeden Morgen – klappt mal mehr, mal weniger. Es ist also nichts komplett neues für mich und ich bin dem Ganzen sehr aufgeschlossen. Ron spricht noch ein wenig über den Plan für die nächsten Tage in Stille, wir klären letzte Fragen und fallen ins Bett.
Tag 1
Schweigen. In mich gehen. Keine Musik, kein Buch, kein Internet. Nur mein Reisetagebuch und ich. Um 6:30 Uhr werden wir geweckt. Um 7 Uhr ist die erste Meditation. Um 8 Uhr die zweite. Das alles vor dem Frühstück. Die Meditationen werden von Ron geleitet, wir werden hier nicht allein gelassen. Das ist gut. Von 9 bis 10 Uhr ist Frühstückspause, danach gibt es eine Art Vorlesung über den Fokus des Tages. Dann folgt eine Stunde Yoga und ich merke, wie gut mir die Bewegung tut. Danach haben wir Mittagspause und fast 3 Stunden für uns.
Um 15 Uhr geht’s weiter – eine Wanderung auf einen der 2 Berge der Insel. Die Höhe (der Titkakasee liegt auf knapp 4.000 m) strengt mich total an. Ich quäle mich abgeschlagen den Berg hoch. Ein anderer Teilnehmer ist mein Cheerleader, füttert mich mit Kokabonbons und läuft dann wieder fröhlich voraus. Ich hab das Gefühl, kaum Luft zu bekommen. Endlich komme ich stolz und glücklich oben am Tempel an. Suche mir einen ruhigen Platz um über die Aufgaben nachzudenken, die wir bekommen haben. Sehe links von mir die Sonne untergehen. Rechts von mir den Vollmond aufgehen. Es ist wunderschön – kraftvoll, friedlich, kaum zu beschreiben.
Den Weg runter meistere ich zum Glück fast problemlos. Wir treffen uns wieder für eine Meditation. 19 Uhr Abendessen. 20 Uhr Meditation. Um 21 Uhr ist der Tag vorbei.
Tag 2
Der Tagesablauf ist der gleiche. 7 Uhr die erste Mediation. 8 Uhr die zweite. Irgendwas stimmt nicht – meine Verdauung macht den Spaß auf dieser Insel nicht mit. Die Frühstückspause verbringe ich im Bett. Um 10 Uhr ist wieder die Vorlesung, aber die Hälfte muss ich auslassen. 11 Uhr Yoga wird auch nichts. Ich muss ins Bett und schlafen. Auch das Mittagessen fällt für mich aus. Ich bekomme leichtes Fieber. Und bin frustriert. Das kann doch echt nicht sein! Jetzt verpasse ich Tag 2 von 3. Irgendwo auf einer Insel, die nicht Mal wirklich Strom und warmes Wasser hat. Meine Zimmernachbarin bringt mir alle möglichen Getränke, die ich trinken soll: Limettensaft (falls es ein Parasit ist), Ingwertee (gegen eine Entzündung), Oreganöl in Wasser (für Darmprobleme). Ich trinke alles tapfer und schlafe weiter. Die Wanderung fällt natürlich auch aus. Was soll das hier eigentlich?! Irgendwann zwischendrin wird mir klar: Frust bringt nichts. Fine, es ist wie es ist. Let it be. Let it go. Schlaf, erhol dich, hör auf dich. Wow, okay. Das scheint wohl meine Lektion zu sein. Passt wie die Faust aufs Auge, zu weit mehr als nur diesen Tagen. Verrückt. Danke!
Kurz vor 20 Uhr kommt Ron vorbei und lädt mich zur letzten Meditation für den Tag ein. Da mach ich noch Mal mit. Ein Glück – ein wunderschöner Abschluss, den ich nicht hätte verpassen wollen. Mir laufen die Tränen über die Wangen.
Tag 3
6:30 Uhr aufstehen. Ich fühle mich soweit okay. Kraftlos, aber es kann los gehen. Ist ja nur noch heute. Auf in den kalten Morgen, in den Meditationsraum. Decke über, Kissen zurecht legen, und los. Mir tut der Rücken weh. Und der Bauch. Ich habe 36 Stunden nichts gegessen. Ich will eigentlich nicht mehr. Ich kann auch nicht mehr. Ich denke über alles nach, worüber ich nachdenken will. Ich Rebell! Das tut gut und die 2 Stunden verfliegen. Meditieren ist gerade nicht, aber ich genieße die Stille und Ruhe. Immerhin. Um 9 gibt es Frühstück und ich esse endlich wieder. Danach machen wir sogar fast 2 Stunden Yoga. Mein Rücken bedankt sich – die Schmerzen sind weg. Ich werde entspannter. Nur noch ein paar Stunden und ich darf wieder kommunizieren. Ich hätte nie gedacht, dass mir das Schweigen so schwer fällt.
3 Stunden Mittagspause. Ich esse ein paar Kartoffeln und will dann an den See. Die Aufgaben vom Vortag hab ich dabei. Ich finde nicht den richtigen Weg, aber doch meinen perfekten Platz. Mache mein Handy an, um Fotos zu machen. Es ist sowieso kein Empfang auf der Insel, aber trotzdem merke ich, wie gut mir 2 Tage ohne den Bildschirm taten. Und wie sehr ich mich freue, wieder zu fotografieren. Meine gute Stimmung ist zurück. Ich summe vor mich hin – es fühlt sich für mich gerade einfach richtig an.
16 Uhr treffen wir uns wieder. Das Abschlusstreffen, bevor wir wieder reden. Eine Stunde Meditation, dann noch eine ganz spezielle Mediation, die uns allen Kraft gibt. Bei mir fließen wieder die Tränen. Es ist toll. Dann durchbrechen wir die Stille mit Musik. Jemand holt eine Gitarre hervor und ich fange singend an meine Stimme wieder zu benutzen. Ich bin im Hippieparadies und genieße es in vollen Zügen. Fühle mich mit diesen Menschen, mit denen ich noch kaum ein Wort gewechselt habe, sehr verbunden. Wir haben es gemeistert.
Abreise
Am Morgen der Abreise gibt es noch eine Mediation. Mein Herz ist so weit geöffnet, ich weiß gar nicht wohin mit mir. Das war auch das Motto des Retreats. Und niemals hätte ich noch vor 2 Tagen gedacht, dass es mir SO gut gehen wird. Ich will immer noch runter von dieser Insel. Die Höhe macht mir immer noch zu schaffen. Ich will eine warme Dusche, ein warmes Zimmer und Internet. Und doch ist irgendwas in mir passiert. Ich bin noch entspannter. Noch zufriedener. Voller Liebe und Zuversicht. Mehr als vorher – dass das überhaupt geht…
Wir reden viel über die letzten Tage. Allen ging es ähnlich. Gesundheitliche Beschwerden bei jedem. Manche meinen es waren die hygienischen Bedingungen auf der Insel. Andere sind überzeugt, dass es die Energie war, die dieser Ort und der Vollmond ausstrahlen. Was auch immer – heute sind wir alle wieder fit. Ich merke, wie ich für mich Energie aus den tollen, tiefen Gesprächen mit den Leuten um mich schöpfe. Wieder eine Erkenntnis. Es fällt mir schwer, mich zu verabschieden.
Die Tage danach
Die Tage danach sind irgendwie seltsam. Ich weiß nicht so recht wohin mit mir. In mir scheint sich alles neu zu ordnen. Ich warte einfach geduldig den Sturm ab. Es wird sich setzen – alles hat seine Zeit. Ich bin entspannt, zuversichtlich und unendlich dankbar für diese Erfahrung.
War es das wert? Auf jeden Fall. Irgendwas ist anders. Ich bin anders. Ich kann es noch nicht greifen, aber spüre es ganz tief in mir.
Würde ich das so noch Mal machen? Ich weiß es nicht. Zwischendrin dachte ich – nie wieder. Heute denke ich – warum nicht. Eigentlich war der Retreat als Vorbereitung für ein Vipassana gedacht (10 Tage in Stille). Puh. Das schieb ich vielleicht ein paar Monate ins nächste Jahr. Es war genauso unendlich anstrengend wie unendlich wertvoll. Und das reicht mir gerade voll und ganz.
Und was genau habe ich da eigentlich gemacht? Ich habe bewusst die konkreten Inhalte der Meditationen, vom Yoga und den Vorlesungen ausgelassen. Zum einen, weil der Beitrag dann unendlich lang werden würde, zum anderen weil ich vielleicht zu viel ins Erklären käme. Meldet euch super gern bei mir, wenn es euch interessiert. Vielleicht mache ich dann doch noch einen eigenen Beitrag draus.
